Fetische
Was den Deutschen im Sommer das Grillen von Würstchen und Fleisch, das ist den Armeniern das Spielen mit Feuer und Wasser. Wie Kinder, die zwanghaft immer spezielle Dinge tun müssen, die keinen praktischen Sinn ergeben, so müssen Armenier dauernd irgendwie Wasser verspritzen. Im Winter bei minus 5 Grad wischt die Putzfrau den Boden eines Ladengeschäftes und nach Beendigung ihrer Arbeit schüttet sie das alte Putzwasser nicht etwa, wie dies normale Menschen tun würden, in die Toilette, nein, sie geht mit dem Eimer aus dem Haus und gießt das Wasser zwischen den Passanten auf den Gehsteig, wohl einem alten, archaischen Trieb folgend. Zu anderen Jahreszeiten kann man beobachten, wie jeden Tag die Straßen und Wege mit Wasser bespritzt werden, In diesem Falle mithilfe von Gartenschläuchen und Wasser aus dem Wassernetz. Dafür könnte man sich noch irgendwelche logischen Erklärungen ausdenken, nur seltsam mutet es an, wenn Personen, die gerade keinen Wasserschlauch zur Verfügung haben, von Zeit zu Zeit durch inneren Zwang eine alte Mineralwasserflasche füllen, die Straße betreten, und im Umkreis von etwa 5 Metern 0,7 Liter Wasser verspritzen. An einem Tag des Jahres ist der Tag des Wassers. An diesem Tag kann man nicht die Straße betreten, keine Besorgungen machen, keine Lebensmittel kaufen, niemanden besuchen, nicht zur Arbeit gehen. Falls man dies trotzdem wagt, z.B. Einkaufen im 50 Meter entfernten Lebensmittelgeschäft, so wird man spätestens auf halber Strecke von Kindern und Jugendlichen so mit Wasser bespritzt, daß alle Kleidung bis auf die Haut durchnäßt ist. In Eriwan gibt es auch oft an Straßen Brunnen bzw. Wasserspeier, damit die Passanten ihren Durst stillen können; das ist auch ganz gut so. Schlecht ist, daß aus dem Trinkwassernetz permanent große Mengen von Wasser verbraucht werden, weil die Wasserhähne nicht richtig zugedreht werden; es tropft nicht nur, es läuft Tag und Nacht. Öffentliche Leitungen werden angezapft, um Gärten, Parks, was man Park nennen kann, und Straßenbäume zu bewässern. Und natürlich die Straßen, die sollen immer schön naß sein. Was den Baum freut wird paradox, wenn man meine eigene Wohnsituation nimmt, stellvertretend für ganze Stadtteile und zehntausende von Menschen. Aus Tradition wird seit Jahren (Jahrzehnten?) das Wasser täglich nur zweimal zugeführt, am Morgen, wenn die Leute noch schlafen, und am Abend, wenn man müde ist, für jeweils ein bis zwei Stunden mit wechselnden Uhrzeiten. In den restlichen 20 Stunden des Tages gibt es kein Wasser. Ich rede nicht von Slumgebieten, ich rede von zentrumsnahen, mit 6 bis 10 stöckigen Block-Reihenbauten dicht besiedelten Stadtteilen. Kein Politiker, keine Justiz, keine Initiative ändert etwas an diesem Zustand. Keiner ist verantwortlich, keiner kann eine Erklärung geben, warum das Wasser fast immer abgedreht ist. Wahrscheinlich gibt es keinen Grund. Pure Arroganz. Gewohnheit. Keine Bürgerinitiative. Es wird einfach als Teil des Lebens hingenommen. (Wie auch z.B.die denkwürdige Art der Müllentsorgung samt dazugehöriger „Mitbewohner“)
Ein anderer Fetisch ist das Feuer. Regelmäßig kann man beobachten, wie nicht nur auf Privatgelände, sondern überall am Straßenrand kleine Feuerchen gemacht werden. Traditionell wird „trockenes“ Laub verbrannt, Gott, der Allmächtige allein weiß warum. Angeblich um Ungezifer fernzuhalten oder böse Geister zu vertreiben. In Wirklichkeit ist es eine archaische Handlung, psychisch zwanghaft durchgeführt. Praktischerweise kann man bei dieser Gelegenheit dann gleich noch einige Plastiktüten und ein paar Schaufeln voll Müll mitentsorgen. Müll liegt schließlich genug herum.
Und nicht zu vergessen der Semitschka-Fetisch. Semitschka sind Sonnenblumenkerne zum Knabbern. Meistens mit Schale, die im Mund abgeknabbert und dann ausgespuckt wird. Wenn Gäste kommen, muß das Zeug auf dem Tisch stehen. Es wird überall geknabbert. Im Auto, auf der Straße, zuhause, im Kino, …..
Kein Armenier ohne seine Sonnenblumenkerne! Wie die Ami`s ihre Kaugummies, so die Armenier ihre Kerne. Und das Ergebnis ist: Überall Schalen. Auf der Straße, in der Metro, auf dem Fußboden, im Bett, in den Hosentaschen, volle Aschenbecher, im Treppenhaus………………………..
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